Verrechnung und Hinzu­rechnung einer Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflege­versicherung für mehrere Jahre

In einem aktuellen Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die dem Steuerpflichtigen erstattet worden sind, auch dann zunächst mit entsprechenden Aufwendungen (§ 10 Abs. 4b Satz 2 EStG) zu verrechnen sind und der verbleibende Betrag dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen ist (§ 10 Abs. 4b Satz 3 EStG), wenn die Erstattung darauf beruht, dass ein Sozialversicherungsverhältnis rückabgewickelt oder rückwirkend umgestellt worden ist. Die Verrechnung und die Hinzurechnung sind unabhängig davon vorzunehmen, ob im Erstattungsjahr noch eine Änderung der Bescheide der Zahlungsjahre möglich ist (BFH-Urteil vom 22.03.2023 - X R 27/21).

Im Entscheidungsfall wurden die verheirateten Kläger im Streitjahr 2017 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war Empfänger von Versorgungsbezügen, die Klägerin erhielt eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Daneben erzielten die Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen. Die Klägerin erhielt zudem im Streitjahr von ihrer Krankenkasse eine Erstattung von Beiträgen zur Basis-Kranken- und -Pflegeversicherung der Jahre 2003-2016 von rund 40.000 ?. Der Zahlung war ein Rechtsstreit vorausgegangen, in dem festgestellt wurde, dass die Klägerin zu Unrecht statt zur Pflichtversicherung zur freiwilligen Krankenversicherung herangezogen worden war. Das Versicherungsverhältnis wurde entsprechend mit Rückwirkung umgestellt. Die Kläger begehrten, den Erstattungsbetrag nicht der Einkommensteuer zu unterwerfen, da es sich nicht um einen typischen Erstattungsfall nach § 10 Abs. 4b EStG handele.

§ 10 Abs. 4b EStG sieht in einer Vereinfachungsregel für solche Fälle der Rückabwicklung von Sozialversicherungsbeiträgen (Sonderausgaben) Folgendes vor: Beschränkt auf die Beiträge zu Basis-Rentenversicherungen für die Altersvorsorge (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG), die Beiträge zu den Kranken- und Pflegeversicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG) und sonstige Versicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG) kann eine Verrechnung mit laufenden Beiträgen erfolgen; verbleibende Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen, der sog. Erstattungsüberhang (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG), ist dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen (§ 10 Abs. 4b Satz 3 EStG).

Entsprechend dieser Regelung hat der BFH auch für den vorliegenden Fall entschieden, dass ein typischer Erstattungsfall gegeben ist, sodass zunächst eine Verrechnung der Erstattungsbeträge mit den im Streitjahr geleisteten Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erfolgen hat und der verbleibende Erstattungsüberhang dem Gesamtbetrag der Einkünfte des Streitjahres hinzuzurechnen ist.

Eine Ausnahme von dieser steuerlichen Behandlung von erstatteten Sozialversicherungsbeiträgen sieht der BFH lediglich bei der Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen nach § 210 des VI. Sozialgesetzbuch (SGB VI) als gegeben: Erstattete Rentenversicherungsbeiträge sind den steuerfreien sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a. EStG iVm § 3 Nr. 3 Buchst. a EStG zuzuordnen und können damit keine negativen Sonderausgaben sein (vgl. BFH-Urteil vom 07.07.2020 X R 35/18, BStBl 2021 II S. 750, Rz. 32). Demgegenüber sind Beitragserstattungen anderer Sozialversicherungen (z. B. Kranken- und Pflegeversicherung) keiner Einkunftsart nach § 2 EStG zuzuordnen, sodass diese als negative Sonderausgaben zu behandeln sind, so der BFH.

Zum Volltext des BFH-Urteils vom 22.03.2023 X R 27/21 gelangen Sie hier.